Dicke Pferde - Sommerekzem

Mittlerweile ist die Anzahl der Pferde, deren Gewicht zu hoch ist, in den Pferdebeständen bundesweit auf über 50% gestiegen. Adipositas ist Basis für EMS, Insulinresistenz und Hufrehe, Gelenke werden überlastet etc.  Die Ursachen hierfür sind zweifelsohne multifaktoriell und erstrecken sich von unpassenden Grundfuttergehalten und daraus uU ad-lib-Fütterung, wenn Heu-Stroh-Mix angezeigt wäre, gutgemeinter Nahrungsergänzung mit Müsli, welches Melasse oder Apfeltrester enthält etc. Auch wird ganz gerne unterschätzt, wie viel ein Pferd arbeiten muss, um seinen Bedarf zu erhöhen.

 

Schwierig wird es ein Pferd aus hohem Speck zu holen, da Fettabbau gesteuert werden muss, um eine Hyperlipi-dämie zu vermeiden und Fresspausen > 6 Stunden zu Magenverätzung* führen würden. Diäten bauen primär Muskulatur und Plasmaproteine zur Energiegewinnung ab, nicht überschüssige Fettdepots. Daraus  gilt es ausreichende Futtermenge (1,5kg Raufutter/100kg LM-Zielgewicht) mit reduzierten Gehalten und Bewegung zu kombinieren und NICHT das Pferd hungern zu lassen. Es würde uU das Stroh der Boxeneinstreu als Ersatzfutter nehmen und sehr schnell mit einer Kolik ( Anschoppung ) reagieren. Wir verwenden in den Unterständen Hobelspäne auch wegen der hygienischen Mängel vieler Stroh-Chargen.

* Als Knabberzeug für Zwischendurch eignet sich Rinde von Birke, Hasel oder Obstbäumen (Beschäftigung, Speichelbildung). Letztere wachsen langsam, stehen also nur begrenzt zur Verfügung. Ausnahme ist die spätblühende Traubenkirsche, ein Neophyt, der heimische Gewächse verdrängt. Atherische Öle, Vitamine und Mineralstoffe sind im Kambiumring enthalten, aber die Energiegehalte sind nicht zu unterschätzen. Daraus eher Teile vom groben Stamm und keine "dünnwandigen" Äste bei Pferden, welche abnehmen müssen.

 

Wir haben vom Gnadenhof ein Teilchen übernommen, voll das dicke Ding. Die machen dort echt einen tollen Job, arbeiten sich halb tot dabei und finanzieren das Ganze durch Spenden. Einzelbetreuung geht nicht und eine exakte Futtermenge mit definierten Gehalten und entsprechender Rationsgestaltung aus Heu und Stroh, ist einfach nicht leistbar.

Wie immer, auch eine bewegte Geschichte mit vielen Wechseln und so manchen bösen Erfahrungen in der Historie. Seinen Charme hat das Pony dabei nicht verloren.

 

Dann wollen wir doch mal sehen, wie wir den kleinen Wallach wieder auf Normalmaß runterbekommen:

 

Gewichtskontrolle erfolgt über Maßband (Bauchumfang) mit angestrebter Reduzierung von 1-1,5 cm/Woche.

Die verfügbaren Heuchargen werden im Labor ausgewertet* und entsprechend mit Futterstroh von Roggen oder Hafer vermischt gefüttert. Heu kann problemlos durch bis zu 25% Futterstroh ersetzt werden. In kleinen Schritten wäre eine Steigerung auf max. 40% möglich.

* Eiweiß- und Zuckergehalte stehen in einem antagonistischem Verhältnis zueinander, das von der vorliegenden N-Versorgung gesteuert wird. Stickstoff ist Motor für das Pflanzenwachstum, der das Photosytheseassimilat Zucker umbaut. Ohne N, kein Pferdeheu, da sonst enorme Zuckergehalte im Heu enthalten sein können. Entsprechend kann sich auch Wassermangel als Wachstumsbremse auswirken. Das kann dann mal schnell so aussehen:

Nur in Kenntnis der Gehalte im Heu, läßt sich eine Futterration auch entsprechend zusammenstellen bzw. eine drastische oder bedenkliche Überversorgung (Energiedichte, Fruktane, Proteine) bei jedem Pferd vermeiden.

 

Eine Futterumstellung hat immer in kleinen Schritten zu erfolgen und je höher der Strohanteil hier gesetzt wird, desto mehr ist auf auch auf die ausreichende Wasseraufnahme des Pferdes zu achten: Stroh bindet weniger Wasser als Heu, bei reduzierter Wasseraufnahme kann es durchaus auch zu Anschoppungskolik kommen, die es zu vermeiden gilt.

 

 

"Um aber eine ausreichende Wasseraufnahme durch Trinken in jedem Fall zu gewährleisten ist auf eine bedarfsgerechte Magnesiumversorgung zu achten, da Magnesiummängel zu Durstlosigkeit führen und die Gefahr einer Anschoppungskolik erhöhen!": Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand in "Stroh - mehr als nur Einstreu!"- nachzulesen über den hinterlegten link.

 

Zu beachten ist auch, dass die Verstoffwechselung von Stroh eine qualitativ hochwertige Proteinzufuhr voraussetzt.

 

Daraus und zum Umbau der Fettpolster in Muskulatur wird Leinkuchen (Proteinqualität!) supplementiert.

 

An seiner Bewegungsfreudigkeit wird es nicht scheitern, bei der Gabe von Augensalbe derzeit (periodische Augenentzündung) steigt er und läuft auf zwei Beinen rückwärts, leere Maurerkübel schmeißt er durch die Gegend......kleine Granate, aber mit Charme. Zu allem Überfluß ist er auch Sommerekzemer*, reagiert also von Mai bis Oktober auf Gnitzen - voll die Baustelle, aber ist so. Mal sehen, wenn der Umzugsstress, welcher natürlich auf das Immunsystem schlägt, abgeklungen ist, werden wir seine Beeinträchtigungen Punkt für Punkt angehen.

 

* Auslöser für ein Sommerekzem sind o.g. Mücken, deren Stich eine allergische Reaktion mit Juckreiz hervorruft. Walnuss, Holunder oder auch Pflanzen, die das ätherische Öl Geraniol enthalten, können hier ein wenig unterstützen, den Gnitzendruck zu reduzieren. Wir haben uns für Storchschnabel als Paddock-Umrandung entschieden, der auch Bienenweide ist. Zwischengesetzt Holunder, aber der wächst langsam. Mücken fliegen tief an, daraus wurden die Pflanzen auf einen kleinen Wall gesetzt, so dass eine Bewuchshöhe von ca 70 cm erreicht wird. Weidegang erfolgt mit Decke.

 

Stetige Gewichtsreduzierung

 

und Adipositas war mal.

 

Vorher - nachher zum Vergleich:

 

Der Rest ist weiterer systematischer Aufbau weisser Muskulatur und angepaßte Rationsgestaltung. Ausdauertraining und optimale Proteinversorgung* sind hier Grundlage. Er wird dadurch noch etwas mehr Kontur ausbilden.

Sein Sommerekzem tritt z.Z. weniger in Erscheinung. Die davon betroffenen Hautpartien an Mähnenkamm und Schweifrübe (borkig verdickt) werden mit einer Pflegelotion behandelt, der zu 20% Benzylbenzoat zugesetzt ist. Bei Verwendung derartiger Stoffe, ist Kenntnis des Sicherheitsdatenblattes oberste Pflicht.